Vize-Präsident der Universität Paderborn fordert „kreative Zerstörung“ in Unternehmen
Diese „Vorlesung“ war fast ein wenig bedrohlich: Sätze zur zerstörerischen Kraft des „Weiter so“ in Unternehmen, Beispiele von üblen Firmen-Untergängen aufgrund eigener Trägheit und der ständige Hinweise auf deutlich zu große Portionen Bequemlichkeit im Erfolgsfalle schleuderte Prof. Dr. Rüdiger Kabst seinen Zuhörern entgegen. Doch die 160 Gäste der Mittelstandsvereinigung der CDU (MIT) im Kreis Paderborn hörten trotzdem gespannt zu, denn der Vize-Präsident der Universität Paderborn wollte das Publikum im Forum der Volksbank Paderborn-Höxter-Detmold nicht verschrecken, sondern sensibilisieren.
Prof. Dr. Kabst warb während der traditionellen Ausblick-Veranstaltung der MIT dafür, regelmäßig die bekannten Pfade des Unternehmerlebens zu verlassen und immer wieder „Querdenker-Projekte“ anzuschieben. „Nur der Mut zur kreativen Zerstörung von Inhalten und Abläufen bringt uns voran. Selbst wenn in Unternehmen viele von diesen Ideen in die Hose gehen, kann eine darunter sein, die dem Betrieb die Zukunft rettet“, erläuterte Rüdiger Kabst seinen Ansatz. Negative Beispiel von heute fast vergessenen einstigen Branchenführern wie Nokia oder Kodak unterstreichen aus seiner Sicht diese Lehre.
Einig ist sich der Professor auf vielen Feldern mit den Praktikern aus der Wirtschaft der Region, denn sie alle setzen auf die Kraft der Digitalisierung – und alle wollen daran beteiligt sein. Daher passt es dem Leiter der Paderborner IHK-Zweigstelle, Jürgen Behlke, auch überhaupt nicht, dass noch zu viele Betriebe im Kreis am Datentropf hängen und in Sachen Breitbandausbau vertröstet werden: „Hier wäre Abhilfe dringend notwendig.“ Wie Industrie-Vertreter Jürgen Behlke, sieht aber auch der Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, Peter Gödde, dass sich die Region trotz allem im Wettbewerb gut behauptet. Doch auch Gödde hatte Wissenschaftler Rüdiger Kabst gut zugehört und gestand: „Auf dem Erfolg dürfen wir uns nicht ausruhen und stellen uns den Veränderungen.“ Im Handel, für den der stellvertretende Vorsitzende des Handelsverbands OWL, Rainer Schorcht, aus Gütersloh nach Paderborn gekommen war, sieht man eine Wachstumsprognose von ordentlichen 1,5 Prozent für 2016 voraus. Im Konkurrenzkampf mit dem Internet setzt der Verbandsvertreter auf den langen Atem der Einzelhändler, die sich mit einer Kombination aus stationärem Verkauf und Onlinehandel unabkömmlich machen können.
Unabkömmlich als Partner des Mittelstandes sehen sich die örtlichen Banken. Karl-Heinz Rawert, Vorstand der Volksbank Paderborn-Höxter-Detmold, geht davon aus, dass sich auch die Kreditinstitute „kreativ“ weiterentwickeln und lobte besonders den Dialog mit der heimischen Universität und die gemeinsam geschaffene enge Vernetzung mit Start-Up-Unternehmen. Um die Herausforderungen der Geschäftskunden auf sich rasant verändernden Geschäftsfeldern auch weiterhin nachempfinden zu können, warb Karl-Heinz Rawert für mehr Austausch zwischen Kreditgebern und Unternehmern: „Nehmen Sie uns mit in Ihre Entscheidungsfindung.“
Auch kleine Entscheidungshilfen in Sachen Anlagestrategie gab es in der Volksbank. Und das ausgerechnet von einem Sparkassenvertreter. Hubert Böddeker, Vorstand der Sparkasse Paderborn-Detmold, schätzte die Entwicklung der Wirtschaft für 2016 in seinem Impuls-Referat als überwiegend stabil ein und machte deutlich, dass in Niedrigzinszeiten eine langfristig orientierte Geldanlage nicht ohne Aktien auskomme. Zwar sähen deutlich mehr Experten als noch vor zwölf Monaten die Gefahr eine Immobilienblase auf deutsche Ballungszentren zukommen und der fallende Rohölpreis könnte die Ölindustrie und damit auch die Weltwirtschaft noch in unangenehme Schwingungen versetzen – doch die Deutschen müssten sich keine allzu großen Sorgen machen, prognostizierte Hubert Böddeker. Allerdings wisse niemand, so betonte er, welche Krisenszenarien in der nächsten Zeit die Märkte beeinflussen werden.
Der MIT-Kreisvorsitzender Ulrich Lange forderte die Mittelständler abschließend auf, sich verstärkt in die gesellschaftliche und politische Debatte einzumischen. „Wagen wir es, Neues zu entdecken, dann sieht man auch nicht in jeder Schwierigkeit gleich eine Krise“, appellierte Lange an seine Gäste, denn Unternehmer und Mittelständler könnten dies besonders gut: „Sie haben Unternehmergeist, und das heißt Kreativität, Innovationskraft und Risikobereitschaft“.