des Vorsitzenden der CDU-Mittelstandsvereinigung im Stadtverband Paderborn, Friedhelm Koch
Ein schwerer politischer Fehler
CDU Fraktion und Bürgermeister wollen die Stadtwerke in Paderborn neu gründen. Widerstand im Rat wird es nicht geben, eher das Gegenteil. Die Zeitläufte gehen gerade über derartige Geschäftsmodelle hinweg, insofern begeht man einen schweren politischen Fehler.
Was ist die Motivation? Man will Einnahmen erzielen, die man zu brauchen glaubt und die man den hierzulande operierenden Unternehmen (auch Stadtwerke sind darunter) nicht überlassen will. Es soll in 7 Jahren ein Jahresgewinn von 1,4 Mio. € erzielt werden. Man nimmt dafür in Kauf, dass sich das Verhältnis zwischen Bürgerschaft und Rathaus verändert. Der Bürger wird zum zahlenden Objekt. Man bietet ihm nicht das günstigste Angebot, sondern ein nostalgisches Vertrauensverhältnis. Dabei will man sich genau der gleichen Dienstleister bedienen, wie die Konkurrenz. Ein Etikettenschwindel?
Welche Dimension haben die erhofften Einnahmen? 1,4 Mio. € sind ein Betrag der kümmerliche 0,29% des gesamten Haushaltsvolumens von 340 Mio. € ausmacht. Der Kämmerer schiebt bei der Erstellung des Haushalts weitaus größere Summen mal hierhin, mal dorthin. Für diesen geringen Effekt gründet man nun ein Unternehmen und bewegt sich in den Markt.
In welchen Markt begibt man sich? Ein profunder Kenner verglich den heutigen Energiemarkt mit der trügerischen Sicherheit der Schallplattenhersteller kurz vor Aufkommen der CD. Die FAZ spricht von „unkalkulierbarem Marktgeschehen“. Das letzte Menetekel war die Teilung von e-on. Dergleichen ist erst der Anfang. Im Strombereich kommt die sogenannte Energiewende mit einer Geschwindigkeit, die alle Wirtschaftsbereiche unter existentiellen Druck setzt. Ver- und Entsorgung mit Energie werden nicht mehr sauber zu trennen sein, der „Prosumer“, der Erzeuger und Konsument von Energie ist, wird der Akteur der Zukunft sein. Die zukünftige Entwicklung der Produktion, „Industrie 4.0“ genannt, wird vor den Haushalten nicht haltmachen. Miele plant mit Haushaltsgeräten, die sich selbst einschalten, wenn der Strom am günstigsten ist. Derartige Geräte werden demnächst auch den günstigsten Stromanbieter ansteuern können. Warum sollte im Haushalt nicht möglich sein, was auf den neuesten i-pads schon geht? Beim Gas wünscht man sich viel Vergnügen beim Großeinkauf, denn 35% unserer Einfuhren kommen aus Russland. Begleitet wird das Geschäft von einem Wirtschaftsprüfungskonzern, der sich schon darauf freut, hinterher die Betreuung des Unternehmens zu übernehmen.
Was ist also zu welchem Risiko zu erreichen? Kein Unternehmer würde zur Verbesserung seines Umsatzes um 0,29% ein neues Unternehmen gründen, schon gar nicht in einem Markt, der unkalkulierbar und in Bewegung ist, wie kein zweiter. Er würde sich auf sein Kerngeschäft konzentrieren. Für die Politik in Paderborn heißt das: effektiver werden. Es genügt nicht mehr, Benchmark unter Verwaltungen zu sein. Verwaltung darf in Zukunft nicht mehr mit Verwaltung verglichen werden, sondern mit Wirtschaftsunternehmen. Zwei Ressourcen sind, bzw. werden knapp: Geld und Personal. Gemeinden müssen viel mehr kooperieren, Rationalisierungseffekte durch intelligente technische Systeme sind auch in der Administration zu heben. Das ist das künftige Kerngeschäft der Politik, wenn sie überhaupt noch gestalten will.
Wen will man erreichen? Es müssen wechselwillige Menschen sein. Die kommende Kundengeneration, die „Digital Natives“ sind beispielsweise eine solche Gruppe. Kaum zu erwarten, dass sie dauerhaft bei der Stange bleibt. Anbieterwechsel ist sie gewohnt. Ihr Mantra lautet: Das Netz bietet das günstigste Angebot. Wer es noch immer nicht glauben will, der frage in diesen Tagen diskret bei den Paderborner Einzelhändlern nach. Eine solche Ernüchterung haben sie zu Weihnachten noch nicht erlebt und zumindest jetzt noch nicht erwartet. Man gründet ein Unternehmen nicht mal eben so, in spätestens 15 Jahren wird man es bereuen.
Welche politischen Auswirkungen hat das Thema? Es gibt bereits jetzt ein Demokratiedefizit. Die Zeit-Reichen regieren die Zeit-Armen. Jede unnötige Zusatzaufgabe verstärkt diesen Effekt. Am Ende wird die Suche nach Kandidaten für den Rat eine Lotterie. Es gibt Ratsmitglieder erster und zweiter Klasse, besser und schlechter informierte, besser und schlechter dotierte. Ökonomische Entscheidungen werden politische und umgekehrt. Die Schwarzen werden keine Preiserhöhung vor der Wahl wollen, auch wenn die Blau-Gelben sie für ökonomisch notwendig halten. Die Grünen werden in die Energieerzeugung in großem Stil einsteigen wollen, die Roten wollen eine soziale Gewinnverwendung und die Tarnkappenkommunisten soziale Tarife. Da gerät der Geschäftszweck aus dem Blick. Die Komplexität des künftigen Marktes wird per se eine Menge Zeit fressen und Sorgen bereiten, da kommt der politische Streit dann gerade passend hinzu. Freizeitpolitiker haben demnächst Unternehmensentscheidungen in einer Branche zu treffen, in der kein Stein auf dem anderen bleibt. Warum wollen die sich das eigentlich antun?
Gibt es Alternativen? Paderborn hält noch einige Jahre die Lizenz zur Wasserförderung. Der Vertrieb des Wassers wird nicht mehr allzu lange von e-on betrieben. Hier besteht eine Möglichkeit, durch Kooperation mit bestehenden Anbietern Geld zu verdienen, ohne sich selbst ins Getümmel zu begeben.
Noch eine Leiche im Keller? Ja, im Keller der CDU. Die Leiche heißt Ordnungspolitik und wurde von Ludwig Erhard in der CDU etabliert und am Leben gehalten. Der Staat sollte sich aus dem Marktgeschehen heraushalten, sofern es sich um funktionierende Märkte handelt. Die Vielzahl der Wahlmöglichkeiten, die Vielzahl der Anbieter, der Handel an der Strombörse haben den Energiemarkt zu einem Käufermarkt gemacht. Die öffentliche Hand hat hier genausowenig ein Unternehmen zu gründen, wie auf dem Markt für Brot, für Computer oder Möbel. Sollte man jedenfalls meinen.
Zusammengefasst lädt man für relativ wenig Ertrag ein großes Risiko auf sich, verliert Kraft, die man für Wichtigeres brauchen könnte, vernichtet Arbeitszeit, vergeudet Ressourcen und eröffnet eine Spielwiese für Wunschdenker.