Das Phänomen Nichtwähler: „Dann bleib ich mal weg!“

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Die Wahlabstinenz steigt tendenziell auf allen Ebenen. Bei der letzten Bundestagswahl im Jahr 2009 traten mit lediglich 70,8 Prozent aller Wahlberechtigten so wenig Menschen wie nie zuvor bei einer bundesweiten Stimmabgabe an die Urnen. Und ob die Zahl derjenigen, die bei der Bundestagswahl am 22. September von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen, höher sein wird, darf bezweifelt werden, denn dieser Negativtrend ist seit Jahren ungebremst.

Grund genug für die Mittelstandsvereinigung Bad Lippspringe (MIT) und die Junge Union im Kreisverband Paderborn (JU) das Phänomen der Nichtwähler einmal genauer unter die Lupe zu nehmen und sich die Frage zu stellen „Gibt es eigentlich die typischen Nichtwähler und sind sie für die Parteien (wieder) zu gewinnen?“.

Als renommierte Expertin auf dem Gebiet der Wahlforschung stellte vor diesem Hintergrund Dr. Viola Neu, Leiterin des Teams Empirische Sozialforschung bei der Konrad-Adenauer-Stiftung, die Ergebnisse ihrer empirischen Studie „Dann bleib ich mal weg – Der Mythos der ‚Partei’ der Nichtwähler“ vor. „Bei den Nichtwählern handelt es sich um keine homogene Gruppe“, machte die Wahlforscherin aus Berlin in der „Q-Bar“ der RTB GmbH & Co. KG in Bad Lippspringe dabei sehr schnell deutlich. Nichtwähler seien auch keinesfalls Reservestammwähler der Parteien. Genau genommen sei man bei den Nichtwählern der Typus „Stammwähler“ eher die Ausnahme als die Regel. So seien zum Beispiel von dem knappen Drittel der Nichtwähler, dass im Rahmen der Studie angab, irgendwann einmal CDU gewählt zu haben, zwei Drittel höchstens als Gelegenheitswähler einzustufen. Würden alle Parteien ihr gesamtes Nichtwählerpotential voll mobilisieren, würde dies allerdings keiner Partei einen strategischen Vorteil bringen, da sich die Nichtwähler relativ homogen über die Parteienlandschaft verteilten.

„Trotz einiger methodischer Hürden konnten wir im Rahmen der Studie herausarbeiten, dass sich viele befragte Nichtwähler dahingehend äußern, dass sich der ‚kleine Mann’ – der keineswegs arm sein muss – von der Politik nicht richtig einbezogen fühlt“, macht Dr. Viola Neu deutlich. Diese Distanz zur Politik und das Gefühl, keinen Einfluss auf Politik zu haben, sei bei den Nichtwählern deutlich häufiger vertreten als klassische Protestmotive. Signifikant sei ebenfalls, dass bei den Nichtwählern im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt die Wahl wesentlich seltener als Bürgerpflicht wahrgenommen werde.

„Nichtwähler sind Wähler und Wähler sind Nichtwähler“, fasst die Expertin die Ergebnisse zusammen und begründetet diese These, mit dem Umfrageergebnis, dass nur eine Minderheit von 23 Prozent der Nichtwähler von sich behauptet, grundsätzlich nicht zu wählen.

Unter der Leitung der beiden Vorsitzenden Kevin Gniosdorz (JU) und Raphael Schäfers (MIT) entwickelt sich am Anschluss an den Vortrag eine lebhafte Diskussion darüber, in welcher Form diese Studienergebnisse in die aktuelle Parteiarbeit einfließen können. „Der Vortrag von Frau Neu hat mich bestärkt: Wir Politiker müssen viel stärker deutlich machen, wofür wir stehen. Solange die Menschen keine echte Wahl zwischen unterschiedlichen Positionen haben, werden sie auch nicht wählen gehen“, so der heimische Bundestagsabgeordnete Carsten Linnemann abschließend.